In den letzten 6 Wochen hat sich mein Arbeitsalltag vollständig verändert.
Der neue Praktikant heißt „Claude“
Ende Oktober 2024 wurde eine neue Version von Claude 3.5 veröffentlicht, die auf einem Desktop größtenteils arbeiten kann wie ein Mensch. Damit ist es möglich geworden, einfache Arbeiten, ohne Notwendigkeit für 100%ige Korrektheit der Daten, auf dem Niveau eines Praktikanten zu automatisieren. Diese Abläufe könnten zum Beispiel nachts auf einem oder mehreren Ihrer Arbeitsplätze laufen oder auf virtuellen Desktops in Ihrem Netzwerk ausgeführt werden.
By the way: Claude ist nicht ChatGPT. Es ist der momentan größte Konkurrent mit Fokus auf ernsthafte geschäftliche Anwendungen und vollständig eigenen KI-Modellen.
Der neue Entwickler heißt „o1-Preview“
Thema ChatGPT: OpenAI hat am 12.09.2024 eine neue Variante seiner KI namens o1-preview vorgestellt.
Und wie das meine Abläufe verändert hat: o1-preview ist stark genug um 500 Zeilen Code in einem kurzen 10 minütigen Dialog zu schreiben. Das entspricht etwa dem Output eines durchschnittlichen Entwicklers innerhalb einer Woche.
Damit habe ich mir mehrere interne Tools zur Beschleunigung meiner Abläufe geschrieben. Jeweils in Minuten, statt Stunden oder Tagen.
Ein paar wichtige Erkenntnisse die mir bei der Arbeit mit KI in diesem Jahr kamen, waren:
- Statt der KI irgendwelche anonymisierten Daten oder Probleme zuzuwerfen, ist es sehr viel schneller und rechtlich unproblematischer diese KI schnell ein Tool oder Script zur Lösung des Problems schreiben zu lassen. Beispiel: Mich nervt es, dass heute ein Whiteboard unbedingt online inkl. ständigen Verzögerungen stattfinden muss oder man eine Office-Suite installieren soll, um ein bisschen rumzukritzeln. Also habe ich in Kooperation mit o1 und Claude innerhalb von ein paar Minuten meine eigene Whiteboard-Desktop-App geschrieben – „mit Blackjack und allem“.
- Inline-KI-Tools in IDEs sind schonwieder out: Braucht niemand mehr, wenn die KI komplette Dateien in Sekunden schreiben, korrigieren und umschreiben kann. Next Step: KI-IDEs die tief integriert sind. Oder auch nicht. Man kann Claude und ChatGTP auch schon komplette Projekte zuwerfen und mit Ihnen darüber sinnieren, wenn es der rechtliche Rahmen erlaubt und oder die zu schreibenden Programme ausreichend trivial / unspezifisch sind.
- KI-Entwickler kommen mit Sicherheit. Es ist jetzt so wichtig wie nie zuvor mitzuhalten und die neuen Assistenten in den Entwicklungsalltag zu integrieren.
Das neue Script-Kiddie heißt „4o with canvas“
OpenAI hat zwischenzeitlich für seinen aktuellen und nicht ganz so super-intelligenten Assistenten 4o einen Kollaborations-Modus vorgestellt, mit dem sich – meinen ersten Erfahrungen nach – insbesondere einfache Javascripte sehr gut in Kooperation schreiben lassen.
Besonders lustig: Rechts im „Canvas“ gibt es einen Wähler, mit dem sich das Script relativ zuverlässig in verschiedene Programmiersprachen übersetzen lässt. Zum Beispiel von Javascript nach C++. Soviel zu den früheren Diskussionen, welche Programmiersprache die bessere ist.
Für eine kürzliche Anpassung an einer Kundenseite habe ich zur Demo möglicher Anpassungen zwei passende Scripte inklusive responsive Design mit jeweils mehreren hundert Zeilen Code geschrieben. Ähnlich zum Scripting für A/B-Tests.
Auch hier stellt sich die Frage: Lohnen sich aufwändige CMS noch, wenn Entwickler, CEOs und Marketing-Fachleute mit Javascript-Erfahrung das Problem mit einem kurzen Chat innerhalb von Minuten lösen können? Zumal der Gründer des bekanntesten CMS gerade ernsthafte persönliche Probleme an der Community auslässt: https://techcrunch.com/2024/10/20/wordpress-vs-wp-engine-drama-explained/ (gestern, 23.10.2024, wird bekannt: „WordPress.org“ – über die die meisten WordPress-Updates laufen – ist eine „persönliche“ Website des Gründers Matt Mullenweg. Nichts mit „Foundation“ und Community)
Für obiges Projekt musste ich letztenendes einen hybriden Weg gehen und zusätzlich noch viel im CMS anpassen und einige spezielle Änderungen vornehmen. So kann man auch heute noch an Grenzen stoßen und Zeit verlieren. Es wäre aber auch denkbar „die KI mal machen zu lassen“. Wenn man Websites von Grund auf so bauen lässt, könnten CMS für einfache Inhaltsseiten bald obsolet sein.
Nix ist umsonst
Wichtig ist es, dass diese starken Tools nicht in den kostenlosen Versionen von ChatGPT und Claude vorkommen, sondern nur in den kostenpflichtigen Varianten.
Dafür werden sie, sobald diese Stände nächstes Jahr in die kostenlosen Varianten fließen, die Kritiker verstummen lassen, die heute noch in heise-Foren von „Statistikmaschinen“ und „keiner echten KI“ sprechen.
Die Planung und Umsetzung, die diese Assistenten leisten können, sind wirklich nützlich und enstprechen höchsten Qualitätsansprüchen. Die meisten Junior- und Midlevel-Entwickler könnten Code auf diesem Niveau nicht produzieren.
Und ob Ihr Hund oder Ihre Katze nun „wirklich intelligent“ ist oder nur aus Instinkt die vielen lustigen Dinge tut, die man auf Youtube tausendfach beobachten kann: Welchen Unterschied macht es für das Ergebnis?
Und wohin geht’s?
„Was machen wir mit den vielen Arbeitsplätzen die durch KI verloren gehen werden?“
Antwort A: Wahrscheinlich wird es trotzdem noch etwas dauern und erstmal vor allem Arbeit beschleunigen (gilt solange, bis es in ein paar Jahren nicht mehr gilt).
Antwort B: Die Leute hinter OpenAI, wie sein Gründer und auch Bill Gates, haben darauf selbst keine Antwort. (Schauen Sie sich mal die Netflix-Doku „What’s Next? The Future with Bill Gates“, Folge 1, an)
Ich bin bisher so weit, dass es einen KI-Transformations-Fond geben muss oder Besonderheiten in der Arbeitslosenversicherung – für Menschen mit niedrigem Ausbildungsstand, die eindeutig durch KI arbeitslos geworden sind.
Es scheint auf den ersten Blick keinen Plan und keinen Weg zu geben um einen neuen Feudalismus durch wenige reiche Superkonzerne mit humanoiden Robotern und KI abzuwenden, aber ich bin Optimist. Es muss und wird ein gesellschaftlicher Wandel einsetzen müssen und es braucht auf jeden Fall eher weniger Menschen in der Zukunft als mehr… die dann beim Durchdrehen der KI-Superintelligenz möglicherweise zu wenige sind… Vorher könnten bösartige Staaten und Organisationen KI für allergrößten Schaden einsetzen… -> Damit werden Regierungen umgehen müssen. Bitte genießen Sie erstmal Ihren Kaffee und einen guten Youtube-Channel 🙂
Auf jeden Fall sollte man jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken und „Wegsehen“. Diese Entwicklungen betreffen alle, die heute noch nicht in Rente sind. Lieber mitmachen und ggf. irgendwann Mit-Entscheiden, als sich von diesen großen Entwicklungen überollen zu lassen. Aleph Alpha zeigt, dass es auch in Deutschland geht.